Im Herbst 2001 bewohnten meine Kollegin Doreen Uhlig und ich für eine fünftägige Performance mit dem Titel devotioneine Installation, die aus zwei stilisierten, kommunikativ verbundenen Privaträumen bestand. Während der gesamten Performance, auch außerhalb der Öffnungszeiten der Galerie, verzichteten wir auf jegliche Form von Kommunikationsmedien (Telefon, Fernsehen, Radio, Internet, Bücher, Zeitungen) und sprachen nicht. Stattdessen unterhielten wir uns ständig, indem wir langsam und kunstvoll Botschaften auf unsere Kleider stickten, abwechselnd auf Deutsch und Englisch, je nachdem, wer gerade 'sprach'.
Diese bestickten Kleider trugen wir während der Performance und tauschten sie nach einem bestimmten System aus. Es durfte immer nur eine von uns sprechen (sticken). Wenn die Botschaft fertig war, wurde das Kleid mit Hilfe eines Transportmechanismus aus Wäscheleinen und Flaschenzügen, der Teil der Installation in der Galerie blieb, auf die andere Seite geschickt.
Am Ende der Performance wurde die gestickte Botschaft, die sich nun auf drei Kleider verteilte, dem Publikum präsentiert.
Die Performance zitiert traditionelle weibliche Kommunikationsrituale. Historisch gesehen trafen sich Frauen zum Spinnen, Quilten, Sticken und ähnlichen Handarbeiten, die auch als Medium für Klatsch und Informationsaustausch dienten. In devotion, wird dieses Ritual transformiert, indem die Handarbeit als einziges Mittel der verbalen Kommunikation eingesetzt wird.
Dabei geht es nicht um Nostalgie, sondern darum, durch Verfremdung und extreme Entschleunigung das Zusammenspiel von Körper, Bewegung, Raum, Sprache und Medium in einer neuen Form sichtbar zu machen. Dieser Ansatz kontrastiert mit der aktuellen und anhaltenden rasanten Beschleunigung von Kommunikationsprozessen, die oft zu einer Art Entkörperlichung führt. Demgegenüber bietet devotion ein körperbetontes Modell, in dem die Grundbedingungen der zwischenmenschlichen Kommunikation sichtbar werden.
Das Gespräch zwischen Doreen (Deutsch) und mir (Englisch) liest sich von links nach rechts:
Ich frage mich, wie lang es dauert, einen so großen Satz zu sticken.
and I was wondering how long I would have to wait for you! [b.t.w. your words look nice.]
Ein wenig in Eile. Noch. Ich muß an Deine Geschichte denken – die Suche nach dem wilden Tier
Du hast mit dem Jungen das Tier gesucht… vielleicht gab es gar keins, in der Höhle, aber wer weiß?!
the connection escapes me. Are you making some sort of comparison???
Du hast es so schön erzählt. Eigentlich weiß ich nicht, was ich
yeah, that was in March with my nephew Isaac, in my father’s backyard. but I told you that already –
– shall I tell something else then?
Oh ja! Etwas lustiges! (Heute war es, als hätten wir Streit. Ich lese Deine Geräusche – wie Du atmest, schluckst, die Schere ablegst. Das Schweigen macht mich nervös.)
Die Nadel ist zu langsam: sie zerhackt sie – aber die Gedanken rollen noch weiter
I forgot to tell you [actually, I just didn’t have time yet]: the other day, T.‘s niece came by, & when she saw me, she blushed.
… und ist Dir die ältere Dame aufgefallen, deren Dahlien im Hof blühen? Sie schaut manchmal zum Fenster herein, betritt die Räume aber nicht. Ich glaube fast: diese Ausstellungsstücke sind ihr suspekt.
is she the one with curlers in her hair, who seems to be always doing housework? she was just outside, hanging up [no – taking down] the laundry; she saw me watching her, but avoided eye contact, which I can fully understand.
Ja, das ist sie. Und gestern Nacht, weißt Du, es war schon fast Morgen, da mißglückten viele Stiche und ich geriet in Unordnung.
so much to say [I stitch fast to compensate]: [but then it’s terribly SLOPPY as, I’m sure, you’ve noticed]: you spoke in your sleep last night. the blushing niece came back again today. After lunch, I almost stitched the word ‘chocolate’, in the hope of getting some.
Diese geschwätzige Zunge! Heute Nachmittag werde ich ein ernstes Wort mir ihr sprechen!
ooohhh, I can’t wait! but does it have to be a serious word? I doubt that I can keep a straight face!
Und: Werden wir es vermiss
Essays aus dem Katalog lesen:
Rezension aus Dresdner Magazin lesen:
…
Vielen Dank an Elly Brose-Eiermann (büro für kunst, Dresden), dass sie sich getraut hat, uns für dieses performative Experiment zu beherbergen.
…
Fotos: Dario Lombardi