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M.o.M.(Mammalia ohne Mütter): Ein Pflegeprogramm

M.o.M. (Mammalia ohne Mütter): Ein Pflegeprogramm

Partizipatives Projekt, Performance, Installation, 2001

Kurz nach meiner Ankunft in Deutschland wurde ich auf das Wort 'Pflege' aufmerksam, das im Englischen mehrere mögliche Übersetzungen hat, darunter care, maintenance, custody, nursing, grooming. Ich hatte das Gefühl, dieses Wort überall zu sehen, und ich fand es an ungewöhnlichen Orten, wie z. B. auf kleinen emaillierten Schildern auf dem Friedhof. Diese kleinen Schilder sind als Anweisungen zu verstehen (z. B. Diese Grabstätte muss gepflegt werden) – mit anderen Worten, sie weisen auf eine gewünschte Handlung hin. Sie weisen aber auch auf einen Umgang mit Erinnerungen, Empfindungen und einem Gefühl der Verpflichtung hin.

Im Jahr 2001 habe ich das Wort 'Pflege' und die Idee einer Aufforderung zum Handeln aufgegriffen und die partizipative Performance M.o.M. (Mammalia ohne Mütter): Ein Pflegeprogramm geschaffen, die über mehrere Tage im Städtischen Museum Zwickau stattfand.

Das 'Pflegeprogramm' war historischen Präparaten gewidmet – einige der Hunderte von Exemplaren, die aus dem Nachlass eines Hoftierpräparators stammten, der nach seinem Tod Anfang des 20. Jahrhunderts seine Präparatensammlung der Stadt Zwickau vermachte. Die Stadt unterhielt die Sammlung bis Anfang der 1970er Jahre in einem Naturkundemuseum. Dann zog der örtliche Kunstverein in das Gebäude ein, und die Tiere wurden in verschiedene städtische Lagerräume gebracht, wo sie seither ruhen.

Gemeinsam mit einem Museumsmitarbeiter, Herrn Hartmut Tauscher, wählte ich 20 Präparate – alles Säugetiere – für mein performatives, öffentliches und partizipatorisches Pflegeprogramm aus. Ich fotografierte jedes Tier, beschrieb seinen Zustand, und, wenn möglich, schamponierte, föhnte und kämmte ich es. In einigen Fällen musste der Sockel repariert oder die Nase ein wenig nachgebessert werden. Zum Schluss erhielt jedes Tier ein Lätzchen, auf das sein deutscher und lateinischer Name gestickt war, bevor ich es an einem würdigen Platz im Museum unterbrachte und es noch einmal in seinem sauberen, gepflegten Zustand fotografierte.

Meine Arbeit in der improvisierten Restaurierungswerkstatt war für alle sichtbar und zum Mitmachen gedacht. Die Besucher waren eingeladen, mir in verschiedenen Stadien dieses Prozesses zu helfen, und sie erhielten für ihre Teilnahme eine M.o.M.-Ehrenschild.

Tatsächlich wurden diese Säugetiere (lateinisch: Mammalia) in diesem Programm mehr als nur gepflegt: Sie wurden 'bemuttert'. Die Dokumentation zeigt das gleiche tote Tier, das nach der Behandlung glücklicher aussieht als vorher. Die Tiere, die einst als Jagdtrophäen oder zur Lehre über das Leben aufgespießt wurden, altern in manchmal atemberaubenden Positionen, obwohl sie konserviert sind.

Die verjüngten Tierpräparate, die das M.o.M.-Pflegeprogramm erfolgreich abgeschlossen haben, blieben mehrere Jahre lang im Museum ausgestellt, um an diesen performativen Eingriff und die Geschichte der Exponate zu erinnern, aber auch als Erinnerung an die Vergangenheit und ihr kulturelles Erbe.

"Tieren ohne Mütter kommt endlich ein künstlerischer Brutpflegeinstinkt zu Hilfe. Denn wer ausgestopft ist, kann sich nicht mehr selber putzen. Wer aber das M.o.M. Pflegeprogramm absolviert hat, darf sich im Museum wieder blicken lassen. Alle, die bei M.o.M. waren, dürfen ihren Namen erneut mit Würde tragen."

M.o.M. (Mammalia ohne Mütter): Ein Pflegeprogramm wurde geschaffen für das Festival Wer hat Angst vor Roger Whittaker? – Performance, Video, interaktive Arbeiten (Freunde aktueller Kunst e.V.)

Vielen Dank an alle ungenannten Teilnehmer, die so fürsorglich und mutig waren, an dem M.o.M.-Pflegeprogramm teilzunehmen.
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